Psychotherapieforschung - Was die ZEIT nicht oder nur in ihrem Blog veröffentlicht.
Einleitung
Im November 2016 veröffentlichte die ZEIT mit einem großen Aufmacher auf dem Titelblatt in ihrer Beilage Doctor ein Text mit dem Titel Wenn die Seele Hilfe braucht. Was wie ein objektiver Überblick über die verschiedenen Formen der Psychotherapie erschien, erwies sich als ein völlig einseitig formulierter Werbetext für die Verhaltenstherapie. Diese Therapie wurde überschwänglich gelobt – beste Studienergebnisse, unschlagbar, hervorragend - , während die Psychoanalyse auffällig entwertet wurde. Es wurde behauptet, es lägen keine Forschungen zur Wirksamkeit der Psychoanalyse vor. Die Redakteurin Corinna Schöps hatte angegeben, dass sie selbst Achtsamkeitslehrerin sei. Der Verdacht, dass diese verhaltenstherapeutische Ausbildung zu einer derart subjektiven und verzerrten Darstellung der Psychotherapieforschung geführt hatte, war naheliegend.
Es gab eine Vielzahl von Leserbriefen, die den Text kritisierten. Die ZEIT veröffentlichte eine Auswahl von fünf, scheinbar ausgewogenen Leserbriefen.
Wir veröffentlichen die anderen, in der ZEIT nicht oder nur versteckt in deren Blog erschienenen Leserbriefe, soweit sie uns bekannt geworden sind. Die Redakteurin antwortete auf diese Briefe: Ich halte die Studienergebnisse zur Psychoanalyse nach eingehender Prüfung und nach den Kriterien der Evidenzbasierung nicht für aussagekräftig genug.
Eine Redakteurin, die sich besser als die Fachkräfte in der Forschung auskennt?
Dr. Hans-Geert Metzger
für den Ausschuss Öffentlichkeit und interdisziplinärer Dialog in der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV).
Leserbriefe:
Prof. Dr. Wolfgang Mertens
Osterwaldstraße 151
80805 München
Email: W.Mertens@lrz.uni-muenchen.de
DIE ZEIT
z. Hd. Herrn Giovanni di Lorenzo
Chefredakteur
Buceriusstraße / Speersort 1
20095 Hamburg
15. 11. 2016
Sehr geehrter Herr di Lorenzo,
in dem Artikel „Wenn die Seele Hilfe braucht. Was macht eine gute Psychotherapie aus? Wie hilft welches Verfahren? Und was genau geschieht dabei eigentlich in einem Menschen?“ in der Beilage Doctor der ZEIT Nr. 46 hat Frau Schöps leider eine sehr einseitige Darstellung der derzeitigen psychotherapeutischen Situation in Deutschland beschrieben. Einseitig insofern, als sie auf die psychoanalytisch orientierten Verfahren nur mit wenigen Worten eingeht. Die Hälfte aller ambulant durchgeführten Therapien in Deutschland ist aber psychoanalytisch/psychodynamisch orientiert (die andere Hälfte der Therapeuten arbeitet mit Verfahren der Kognitiven Verhaltenstherapie). Die Autoren, die Frau Schöps zitiert, sind allesamt Verhaltenstherapeuten und Psychiater. Dass diese pro domo sprechen, versteht sich von selbst.
Die wenigen Ausführungen zur Psychoanalyse sind darüber hinaus irreführend und wiederholen die bekannten Vorurteile, die leider immer wieder in verschiedenen Presseorganen wiederholt werden.
So schreibt Frau Schöps zum Beispiel, dass sich die Psychodynamischen Verfahren auf die Dynamik zwischen Persönlichkeit und früher Kindheit eines Menschen konzentrieren. Diese Fehlinformation des Lesers lässt bei ihm aber die berechtigte Befürchtung entstehen, dass seine drängenden aktuellen Probleme von einem psychoanalytischen Therapeuten nicht behandelt werden, sondern nur von einem kognitiven Verhaltenstherapeuten, der auf die Bewältigung aktueller Konflikte Wert legt.
Richtig ist, dass zwar viele psychische Erkrankungen im Kleinkindalter und in der Kindheit bereits grundgelegt werden können, dass sich die psychoanalytisch orientierten Verfahren aber nicht auf diese Lebensphase konzentrieren, sondern auf das Hier und Jetzt der Beziehung fokussieren. Denn unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt psychische Leiden entstanden sind, sie äußern sich mittels Symptomen, Verhaltensauffälligkeiten, interpersonellen Schwierigkeiten u.a.m. immer in gegenwärtigen Beziehungen. Dies ist der hauptsächliche Stoff für alle psychoanalytischen/psychodynamischen Verfahren.
Ferner schreibt Frau Schöps, dass sich Psychoanalytiker gegen die wissenschaftliche Überprüfung ihrer Arbeit gewehrt hätten.
Fakt ist, dass die Psychoanalyse seit ihren Anfängen wissenschaftlich untersucht wurde, so bereits in Berlin Anfang der 1930er-Jahre (Fenichel, 1930). Aufgrund einer groß angelegten Untersuchung, die von Annemarie Dührssen in den 1960er-Jahren durchgeführt wurde, wurden psychoanalytische Verfahren in Deutschland erstmalig als Kassenleistung zugelassen. Die Langzeitform (160, Verlängerung auf 240, in begründeten Ausnahmefällen 300 Stunden) wurde „analytische Psychotherapie“ genannt, die kürzere Variante (50, 80, 100) „tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie“. Beide beruhen auf psychoanalytischen Grundsätzen, wie der Berücksichtigung unbewusster Prozesse sowie der Arbeit in und mit der Beziehung.
Mittlerweile existiert die vierte Generation der psychoanalytischen Psychotherapieforschung, in der nicht nur mehr nur der Outcome, sondern vor allem auch Prozesse erforscht werden (siehe z.B. „An open door review of outcome and process studies in psychoanalysis, 3. Aufl.“, s.u. ).
Allerdings ist vor allem die Erforschung von Mikroprozessen in Langzeittherapien sehr personalaufwändig, zeit- und kostenintensiv. Und aus diesem Grund wurden in den zurückliegenden Jahrzehnten auch in der Psychoanalyse eher kürzere Therapien untersucht.
Um derartige Forschungsprojekte durchführen zu können – ohne die Pharmaindustrie als Geldgeber - braucht man in der Psychotherapieforschung aber auch faire wissenschaftspolitische Voraussetzungen zum Beispiel an psychologischen Fachbereichen, die aber nahezu ausschließlich mit Lehrstuhlinhabern besetzt sind, die seit Jahrzehnten der Verhaltenstherapie nahe stehen. Des Weiteren bräuchte man auch eine einigermaßen ausgewogene Berichterstattung in den Medien. Und aus diesem Grund tragen Artikel, wie der von Frau Schöps nichts zu dieser Ausgewogenheit bei.
Einfacher und billiger sind hingegen Kurzzeittherapien hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu untersuchen. Diese wurden in den vergangenen 30 - 50 Jahren in großer Zahl sowohl in der Verhaltenstherapie als auch in der psychoanalytischen Therapie durchgeführt. Dass dabei immer wieder erhaltene Ergebnis war, dass beide kurzen Verfahren in etwa gleich wirksam sind. „Alle haben gewonnen und alle haben einen Preis verdient“, lautet deshalb seit vielen Jahren das Fazit, auch genannt das Dodo-Bird-Verdikt. Deshalb ist die Untersuchung des Outcome mittlerweile relativ unergiebig geworden.
In letzter Zeit wird auch die Nachhaltigkeit von Therapien untersucht, das heißt, wie lange dauern die erreichten Effekte an. Denn es ist bekannt, dass nicht wenige Patienten mehrere kurze Therapien nacheinander durchlaufen, weil die jeweiligen Ergebnisse nicht sehr lange anhalten. In einer in München durchgeführten komparativen Studie meiner Kollegin, Prof. Dorothea Huber (Huber et. al, 2012), konnte nachgewiesen werden, dass die Nachhaltigkeit einer analytischen Psychotherapie signifikant größer ist als die einer kognitiven Verhaltenstherapie. Dies muss allerdings in weiteren Studien repliziert werden.
Frau Schöps führt das sog. Chasp (Cognive Behavioral Analysis System of Psychotherapy) als neues Therapieverfahren an. Neue Therapieverfahren werden von Patienten oftmals mit einem Bonus versehen. Bewährte Verfahren hingegen, wie die Psychoanalyse, werden hingegen nicht selten als veraltet und unwissenschaftlich eingeschätzt - nicht zuletzt wiederum von einer Presse, die mit dem jeweils Neuen mehr Aufmerksamkeit beim Leser erzielen kann als mit dem Altbekannten. Entsprechend haben die neuen Verfahren erst einmal eine gute Wirksamkeit. Wenn sie dann aber „in die Jahre gekommen sind“, tendiert die Wirksamkeit mancher dieser neuen Verfahren gegen Null. Dieser Effekt ist zum Beispiel jüngst für die Kognitive Depressionstherapie von Beck nachgewiesen worden.
Des Weiteren findet sich bei Frau Schöps der Satz: „Selbst kurze Interventionen von 25 Stunden können erstaunlich gut wirken ... kein Patient muss unbedingt 300 Stunden auf die Couch, wie es Lobbyisten alter Schule behaupten.“
Nein „unbedingt“ bestimmt nicht. Aber warum diese Polemik? Selbstverständlich kann man mit Kurztherapien gute Ergebnisse bei bestimmten Patienten erzielen. Aber es gibt viele Patienten, deren Leidenszustände derart intensiv sind, dass ihnen mit 25 Stunden Therapie überhaupt nicht geholfen wäre. Ich denke hierbei zum Beispiel an Patienten, die mit einer depressiven Mutter und einem Alkoholiker-Vater aufgewachsen sind. Oder jahrelangen Missbrauch von einem Elternteil erfahren haben, während der andere wegschaute. Oder Patienten, die schon sehr früh einen geliebten Elternteil durch Krankheit oder Unfall verloren haben und die Ersatzpersonen nicht annehmen konnten.
Selbstverständlich kann man diesen Patienten nicht mit einigen wenigen Sitzungen wirklich helfen. Und es ist für diese Menschen keineswegs einfach, überhaupt noch einmal das Vertrauen aufzubringen, sich einer Therapeutin, einem Therapeuten anzuvertrauen. Nicht selten geschieht dies erst, nachdem mehrere Jahre voller Zweifel und Angst vergangen sind.
Deshalb kann es bei diesen Patienten nicht darum gehen, in Rollenspielen Emotionen regulieren zu lernen, kognitive Überzeugungen zu verändern, sich an einem Supermarktschalter nach vorne zu drängeln oder in einen Lift einzusteigen, um phobische Ängste zu überwinden oder ein Achtsamkeitstraining zu machen - so therapeutisch sinnvoll dies bei Patienten mit harmloseren Problemen auch durchaus sein mag, sondern diese Patienten brauchen erst einmal eine längere Wegstrecke, um überhaupt wieder Vertrauen in andere Menschen zu bekommen.
Und natürlich muss man sich dann kurze Therapien sowie die fehlende Erfahrung, wie man mit seelisch schwer beeinträchtigten Patienten umgehen könnte, auch schönreden. Wozu also so lange auf der Psychoanalytiker-Couch rumliegen? Dieser Trend, der dann auch von einigen Medien angepriesen wird, schafft natürlich ein entsprechendes Bewusstsein bei nicht wenigen potentiellen Patienten. Wozu sich mehrere Jahre mit sich selbst auseinandersetzen, wenn eine Gesundung viel schneller und vielleicht sogar noch viel wirksamer zu haben ist. Die Folge davon ist, dass wir es heute mit sehr vielen „antherapierten“ Patienten zu tun haben. Sicherlich haben viele dieser Patienten auch einige ihrer Symptome dabei verloren und geben sich damit zufrieden. Aber andere ahnen oder wissen, dass sie mit den „Schnuppertherapien“, die sie erfahren haben, mitten auf dem Weg stehen geblieben sind ohne an ein wünschenswertes Ziel zu gelangen. Sie haben dann alles Mögliche ausprobiert, wie Rollenspiele, Stuhldialoge, Familienaufstellung, spirituelle Veranstaltungen, Emotionsregulierung, Trance-Rituale, Akzeptanz- und Commitment-Therapie usw. usf. Halbjährlich, wenn nicht sogar öfter, sprießen immer neue Verfahren aus dem bunten Therapie-Dschungel.
Und ich habe nicht wenige Patienten kennen gelernt, deren Therapeuten nach 20 oder 25 Stunden mit ihnen nicht weiter wussten, weil sie am Ende ihres Therapeutenlateins waren, bzw. in ihrem „Therapeutenkoffer“ keine „Tools“ mehr vorfanden, die für ihre Patienten nützlich gewesen oder von diesen auch akzeptiert worden wären.
Es ist auch bekannt, dass viele kassenzugelassene Therapeuten Kurztherapien favorisieren, weil diese keinen aufwändigen Antrag an den Gutachter erforderlich machen, zumal die Bezahlung für diese Berichte äußerst bescheiden ausfällt. Nicht wenigen Patienten bleibt aus diesem Grund eine adäquate Therapie vorenthalten.
Die Indikation zu seriösen Kurztherapien muss also sehr sorgfältig und fachmännisch vorgenommen werden, damit sie wirklich zum Wohle des Patienten erfolgt. Und die Indikation zur Langzeittherapie wird nicht von Lobbyisten befürwortet, wie Frau Schöps behauptet, sondern von einer Gruppe verantwortungsvoll abwägender Gutachter, die die Psychotherapie-Anträge sehr genau prüfen.
Es wäre wünschenswert, dass in einer anspruchsvollen und seriösen Wochenzeitung wie DIE ZEIT, die doch von vielen Menschen gelesen wird, die über kurz oder lang eine Therapie anstreben, angemessen informiert wird.
Es ist deshalb mehr als bedauerlich, dass Frau Schöps ausschließlich Vertreter der kognitiven Verhaltenstherapie und der Psychiatrie zu Wort kommen lässt, die über die als Konkurrenz empfundene Psychoanalyse unzutreffende und unpassende Einschätzungen zum besten geben wie zum Beispiel: „Die moderne Psychotherapie geht heute davon aus, dass es nicht reicht, in einmaliger Ergriffenheit zu verstehen, woher unsere besondere Art des Erlebens oder Handelns stammt“, sondern neue emotionale Lernprozesse müssten immer und immer wieder geübt werden. Ja genau, kann man hierzu als Psychoanalytiker nur sagen. Just dies geschieht in zeitgenössischen psychoanalytischen Therapien. Aber in der Öffentlichkeit wird Psychoanalyse häufig mit dem Vorgehen von Freud gleichgesetzt, und lange Abhandlungen erscheinen darüber, ob „Freud recht hatte“ oder ob die moderne Hirnforschung seine Hypothesen bestätigen würde. Aber darum geht es schon seit langem nicht mehr. Vielmehr werden derartige Veröffentlichungen von solchen Autoren benutzt, die mittels ihrer Disziplin eine Deutungshoheit anstreben. So schreibt der Neurobiologe Gerhard Roth: „Der alles durchdringende Blick des psychoanalytischen Therapeuten ins Unbewusste des Patienten ist eine anmaßende Fiktion“ (2016, S. 322). Diese Einschätzung würde gut in einen Comic-Band über Freud passen, ist aber für einen Neurobiologen, der vorgibt, sich seriös mit den gehirnlichen Grundlagen wirksamer Veränderungskonzepte in Coaching und Psychotherapie zu beschäftigen, völlig fehl am Platz.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Mertens
Am 23. November
Sehr geehrter Herr Prof. Mertens,
aus dem Büro von Herrn di Lorenzo erreichte mich Ihr Leserbrief zu unserer Titelgeschichte über Psychotherapie.
Sie haben sich die Mühe gemacht, sich ausführlich und kritisch mit unserem Text in ZEIT Doctor auseinanderzusetzen. Haben Sie vielen Dank dafür. Ihr Brief ist auch an die Leserbrief-Redaktion gegangen und hat überdies auch die Autorin erreicht.
Ich antworte Ihnen in meiner Funktion als verantwortliche Redaktionsleiterin von ZEIT Doctor. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich jedoch nicht im Einzelnen auf all Ihre Punkte eingehen kann.
Ich kann verstehen, dass der Artikel kontroverse Reaktionen auslöst. Ihrem Vorwurf der einseitigen Recherche möchte ich jedoch widersprechen.
Ich kann Ihnen versichern, dass Frau Schöps sich intensiv mit den unterschiedlichen Verfahren und der wissenschaftlichen Evidenzlage befasst hat und mit zahlreichen Vertretern verschiedener Schulen gesprochen hat. Es kamen sämtliche Seiten während der Recherche zu Wort. Allerdings können bei einem so umfangreichen Thema nicht alle Ansprechpartner im Artikel namentlich genannt und wörtlich zitiert werden – ihr Wissen fließt dennoch ein.
Überdies hat sich die Autorin mit einer Vielzahl wissenschaftlicher Studien beschäftigt, auch mit denen zu psychodynamischen Verfahren. Sie kommt dabei aber offenbar zu anderen Schlüssen als Sie: Nach den Kriterien der Evidenzbasierung hält Frau Schöps die Studienergebnisse zur Psychoanalyse bislang nicht für aussagekräftig genug. Diese Ansicht ist keine persönliche Einzelmeinung. In der Fachwelt besteht kein Zweifel darüber, dass die jüngeren Psychotherapie-Verfahren sehr viel besser belegt sind.
Der Text fasst also die heutigen Erkenntnisse der Psychotherapieforschung sachlich zusammen – weist ja aber auch daraufhin, dass inzwischen neue Studien zu den psychodynamischen Verfahren laufen. Dass Sie den Ton als polemisch empfinden, bedaure ich. Das war nicht beabsichtigt.
Keinesfalls ging es uns darum, einzelne Verfahren als grundsätzlich unwirksam abzutun. Frau Schöps schreibt ja sogar explizit, es bestünde kein Zweifel daran, dass auch eine tiefenpsychologische Behandlung helfen könne. Nur müssen es eben nicht immer zwangsläufig 300 Stunden sein. In vielen Fällen lässt sich schon mit deutlich weniger Stunden eine lindernde Wirkung erzielen. Uns war wichtig, dies gerade als Ermutigung für die Leser hervorzuheben, damit der eine oder andere, der sich vielleicht nicht an eine Therapie heranwagt (womöglich, weil er befürchtet, dies würde Jahre dauern), es eben doch mal versucht.
Nach Ihrem Schreiben habe ich allerdings den Eindruck, wir hätten noch stärker herausarbeiten müssen, welches Therapieverfahren für welche Patienten am besten geeignet ist. Es war unsere Absicht, in dieser Frage Orientierung zu geben. Offenbar ist es uns nicht gut genug gelungen. Insofern ist Ihr Brief eine wichtige Rückmeldung. Vielen Dank.
Mit besten Grüßen,
Claudia Wüstenhagen
DIE ZEIT
ZEIT Doctor
Buceriusstraße / Speersort 1
20095 Hamburg
claudia.wuestenhagen@zeit.de
Meine Antwort auf Frau Wüstenhagen am 25. November
Sehr geehrte Frau Wüstenhagen,
haben Sie herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Es hat mich auch gefreut, dass Sie meinen Kommentar zu dem Artikel von Frau Schöps als Denkanstoß begreifen können.
Allerdings muss ich noch einmal darauf hinweisen, dass der Artikel aus der Sicht von Kognitiven Verhaltenstherapeuten und Psychiatern verfasst ist - zumindest kommen nur diese zu Wort.
Und die Faktenlage ist eindeutig: Kurztherapien beider Verfahrensrichtungen sind gleich wirksam. Dies ist seit vielen Jahren nachgewiesen. Was aber von Seiten der Verhaltenstherapeuten an der Psychoanalyse moniert wird, ist, dass sie zu wenig Langzeittherapien untersucht hat. Dies ist im Vergleich zu der Masse an Untersuchungen über Kurzzeittherapien sicherlich richtig, hat aber diverse Ursachen. Eine davon ist, dass die Untersuchung von längeren Therapien nicht nur zeitaufwändig, sondern auch ziemlich kostspielig ist, wenn man nicht nur den so genannten Outcome untersucht, sondern auch Prozesse.
In der von mir selbst durchgeführten Studie untersuchte ich zusammen mit meiner Kollegin Frau Hörz-Sagstetter 20 Analytiker- Patienten-Paare. An der Auswertung beteiligt waren etwa 50 DiplomandInnen und acht PromovendInnen und die Dauer des Projekts belief sich von 2002 - 2014, wobei noch nicht alle Arbeiten abgeschlossen sind. Da hierbei auch aufwändige Methoden zu erlernen sind, deren Unterweisung und Training Geld kosten, wie zum Beispiel Instrumente der Bindungsforschung, geht dies nur, wenn man finanzielle Unterstützung hierfür bekommt.
Und an dieser Stelle zeigt sich bereits der Einfluss der Konkurrenz: Denn die Gremien der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) lehnen in der Regel Forschungsprojekte von Psychoanalytikern ab, da die Gutachter einseitig der Verhaltenstherapie zugeneigt sind. Ein bekannter psychodynamischer Psychotherapieforscher namens Frank Leichsenring wendet sich gerade an Herrn Gröhe, um auf diesen Missstand aufmerksam zu machen.
Man muss dann mehrere der Psychoanalyse zugewandte Stiftungen wie zum Beispiel die Köhler-Stiftung/ Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft gewinnen, um überhaupt Projekte durchführen zu können.
Für statistisch wirklich aussagekräftige Befunde bräuchte man aber nicht 20 Untersuchungseinheiten, sondern mindestens 200. Würde man dies mit bezahlten wissenschaftlichen Mitarbeitern durchführen, wären einige Millionen Forschungsgelder erforderlich. Leider - oder Gott sei Dank - gibt es im Bereich der Psychotherapie kein Sponsoring durch die Pharmaindustrie.
Und dass freiwerdende Stellen im Bereich der klinischen Psychologie überhaupt nicht mehr mit psychodynamischen Kollegen besetzt werden - sie werden sogar bei gleicher Qualifikation von vornherein nicht zu Berufungsverfahren eingeladen - ist seit Jahren bekannt. Schreiben an die Kultusminister der Länder haben bislang wegen der Berufungshoheit der Universitäten nichts bewirken können. Dies sind alles bekannte Missstände, die aber zu der obigen Faktenlage hinsichtlich der Langzeittherapien beitragen.
Dennoch gibt es aufgrund des enormen Fleißes verschiedener Kolleginnen und Kollegen immer wieder Studien über Langzeittherapien, die den Nachweis erbringen, dass längere Therapien nachhaltiger wirken (zum Beispiel Marianne Leuzinger-Bohleber vom Sigmund Freud-Institut Frankfurt oder Dorothea Huber vom Städtischen Krankenhaus München-Harlaching).
Bei allem Respekt vor der Leistung von Frau Schöps: Ich denke nicht, dass sie die evidenzbasierte Psychotherapie angemessen einschätzen kann, sondern sich in dieser Hinsicht von Verhaltenstherapeuten hat beraten lassen, die an der Aufrechterhaltung ihrer Sichtweise interessiert sind. Ein Psychoanalytiker als Gesprächspartner hätte sonst möglicherweise Studien zitiert, in denen kognitive Verhaltenstherapeuten immer dann besser abschneiden, wenn sie Elemente der psychodynamischen/ psychoanalytischen Therapie mit einbeziehen, zum Beispiel das Achten auf Beziehungsphänomene, und er hätte auf jeden Fall auf die oben zitierten Missstände aufmerksam gemacht.
Und noch einmal: Selbstverständlich sind die für Langzeittherapie vorgesehenen 160, bei einer möglichen Verlängerung 240 und in sehr genau zu begründenden Ausnahmefällen 300 Stunden keineswegs bei allen Patienten indiziert. Hier wird von der Konkurrenz eher mit einem Schreckgespenst argumentiert. Deshalb gibt es ja die psychodynamischen Kurz- und Fokaltherapien, die tiefenpsychologischen Therapien von 50 Stunden Dauer (die etwa 45 % aller psychoanalytischen Therapien ausmachen - die anderen 50% sind KVT-orientierte). Aber die Seitenhiebe auf die längeren Therapien verunsichern Patienten. Als Supervisor höre ich es jetzt schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage, dass Patienten beunruhigt sind, dass sie bereits länger als 25 Stunden in Therapie sind, wo doch in der ZEIT zu lesen sei, dass dann die meisten Therapien schon wieder zu Ende gegangen seien. In den USA gelten Therapien bereits als lang, wenn sie mehr als 10 Stunden dauern. Hoffentlich bekommen wir nie diese Verhältnisse.
Die meisten Patienten kommen heute nicht mehr in die Therapie mit der Vorstellung, dass diese sehr lange dauert. Denn zahlreiche polemische Artikel in verschiedenen Medien haben immer wieder in dasselbe Horn geblasen. Insofern stellt der Beitrag von Frau Schöps keine Ermutigung dar, sondern führt eher zu einer Verunsicherung bei Patienten, die sich zu einer gründlichen Therapie entschlossen haben. Und insofern steht ein wirklich differenzierender Artikel hinsichtlich der verschiedenen Verfahren und der Indikation hierfür noch aus.
Mit besten Grüßen
Wolfgang Mertens
Dr. Tomas Plänkers, Frankfurt
Der Beitrag von Frau Schöps gibt in seinem Untertitel („Was macht eine gute Psychotherapie aus? Wem hilft welches Verfahren? Was genau geschieht dabei eigentlich in einem Menschen?“) vor eine Übersicht über vorhandene psychotherapeutische Verfahren und ihre Wirksamkeit zu geben. Nichts davon findet sich dagegen in diesem Artikel. Er ist völlig einseitig auf verhaltenstherapeutische Verfahren orientiert und behauptet für die Psychoanalyse, dass es für sie „bis heute keine guten Nachweise“ ihrer Wirksamkeit gäbe. Hier werden in Bausch und Bogen psychoanalytische Verfahren, die sich – im Gegensatz zur Verhaltenstherapie - als einzige für die psychodynamischen Ursachen psychischer Störungen interessieren, in Bausch und Bogen abqualifiziert. Dabei ist das Gegenteil richtig. Ich zitiere aus der Welt vom 1.03.2016: „Eine Langzeitstudie nach der anderen erscheint, die die Wirksamkeit der Psychoanalyse belegt. Die Ergebnisse nehmen nicht nur die Zweifel an der Psychoanalyse, sie lassen Experten geradezu jubeln. Ende 2015 etwa erschien die Studie der Londoner Tavistock-Klinik im Journal „World Psychiatry“, 13 Jahre nachdem der Nationale Gesundheitsdienst Großbritanniens mit dem Projekt begonnen hatte. Sie zeigt zum einen, dass die psychoanalytische Psychotherapie bei chronischer Depression am Ende der Behandlung genauso gut wirkt wie die Verhaltenstherapie. Sie zeigt vor allem aber auch, dass die Stärke der Psychoanalyse in einer enormen Nachhaltigkeit liegt. Während nur zehn Prozent der Patienten in der Verhaltenstherapie zwei Jahre nach Behandlungsende keine Depression mehr hatten, waren es in der Psychoanalyse 44 Prozent, fast die Hälfte. Das bestärkt die Ergebnisse anderer Studien, etwa der im Jahr 2012 erschienenen von Forschern der Technischen Universität in München: Auch hier ging es depressiven Patienten, die statt einer Verhaltenstherapie eine Psychoanalyse bekamen, drei Jahre nach dem Ende der Behandlung deutlich besser.“
Hat Frau Schöps noch nie vom Bewertungsausschuss des Bundesgesundheitsministeriums gehört? Diesem Ausschuss müssen regelmäßig psychotherapeutische Verfahren ihre Wirksamkeit nachweisen, ansonsten werden sie zur kassenärztlichen Versorgung psychisch kranker Patienten nicht zugelassen. Diese Nachweise haben die psychoanalytischen Verfahren bis heute stets erbracht und sind auf diese Weise fester und häufig nachgefragter Bestandteil der psychotherapeutischen Versorgung in Deutschland. Der Beitrag von Frau Schöps ist angesichts dieser Tatsachen einseitige Werbung für die Verhaltenstherapie und muss sich irritierend auf alle Patienten auswirken, die in psychoanalytischer Behandlung sind. Unverständlich, warum sich eine Zeitung wie die ZEIT für ein derartiges Machwerk hergibt.
Thomas Auchter
Die Autorin Corinna Schöps, Achtsamkeitslehrerin, hat sich aufgemacht, „mit Mythen über Psychotherapie aufzuräumen“ und Psychotherapieprozesse zu „entmystifizieren“. Dabei unterliegt sie leider selber erneuter Mythenbildung bzw. –perpetuierung, besonders bezüglich der Psychoanalyse. Völlig unkritisch und undifferenziert stellt sie “unschlagbare“, „beste Studienergebnisse“ der Verhaltentherapie „keinen guten Nachweisen… für die Wirksamkeit der Psychoanalyse“ gegenüber. Abgesehen davon dass seit Jahrzehnten hunderte von Einzelfallstudien die Wirksamkeit der Psychoanalyse belegen, werden seit vielen Jahren evidenzbasierte Studien z.B. zur psychoanalytischen Behandlung der Depression z.B. von der Frankfurter Psychoanalytikerin Marianne Leuzinger-Bohleber und ihrer Forschungsgruppe vorgelegt.
Das von der Autorin gezeichnete Zerrbild der Psychoanalyse sieht etwa folgendermaßen aus: Der Psychoanalytiker (Psychoanalytikerinnen gibt es für die Autorin offenbar nicht) „sitzt auf seinem hohen Ross“, ist freundlich, „Hauptsache die Chemie stimmt“, aber „hört bloß aufmerksam zu“ (nur ein „Placeboeffekt“), „gibt nichts von sich preis“, die negative Nebenwirkung: „Abhängigkeit“, „manche schaden ihren Patienten sogar“. Die Psychoanalyse „konzentriert sich auf die Dynamik zwischen Persönlichkeit und früher Kindheit“, sei ein „längliches Monologisieren“. Fazit: „Kein Patient muss unbedingt 300 Stunden auf die Couch“, hier werden „Ressourcen vergeudet“. „Unwirksame Therapien.. sind Betrug“.
Dann widerspricht die Autorin ihrer eigenen Hypothese, es sein ein Mythos, dass „schlimme Erfahrungen aus der Kindheit… seelischen Leiden zugrunde liegen“, „Seit längerem weiß man, dass sich schwere traumatische Erfahrungen aus der Kindheit in den Körperzellen und bestimmten Gehirnregionen manifestieren und regelrecht einbetten“. Ja, was denn nun?
Die Arbeit mit und an dem Unbewussten ist in der Tat ein Alleinstellungsmerkmal psychoanalytischer Therapien. Das Unbewusste kommt im ganzen Text 1 Mal vor, und zwar negativ: aufdeckende Psychotherapie labilisiere die Patienten statt sie zu stabilisieren, statt ihre „Kompetenzen“ und „Ressourcen zu aktivieren“.
Psychoanalyse ist ein differenziertes psychotherapeutisches Verfahren, das neben der 4stündi¬gen Arbeit auf der Couch, viele niederfrequentere Therapien im Gegenübersitzen und Gruppentherapien, alles mit unterschiedlichsten Längen, umfasst. In meiner nunmehr 40jährigen beruflichen Erfahrungen als Psychoanalytiker habe ich mich ständig (fast bevorzugt) mit „schwereren Störungen“, „Borderline-Störungen“ und Traumaopfern, die nach Ansicht der Autorin bei Psychoanalytikern nicht unterkommen, befasst. Sie alle bedürfen tatsächlich langer Behandlungen. Über Jahre verdrängte Traumaerfahrungen können erst „auf den Tisch“, wenn in der therapeutischen Beziehung (unausweichliche Abhängigkeit) im Patienten eine hinreichende Sicherheit entwickelt worden ist, dass eine Konfrontation damit seelisch zu überleben ist.
Dr. Hans-Geert Metzger, Frankfurt a.M.
„Wenn meine Seele Hilfe braucht“ – dann sollten Sie sich auf keinen Fall an dem Artikel in der ZEIT Nr. 46 orientieren. Der Text ist ein Rückfall in die Zeit, in der eine Psychotherapierrichtung einen Alleinvertretungsanspruch für sich reklamierte. Zwei Journalisten haben sich von einigen Verhaltenstherapeuten in die Feder diktieren lassen, was die Verhaltenstherapie angeblich alles besonders gut kann und was andere gar nicht können. Offensichtlich ohne eigene Recherche und ohne kritische Distanz geben sie zum Beispiel wieder, dass die Verhaltenstherapie „beste Studienergebnisse“ für psychische Behandlungen vorlegt, während die Psychoanalyse „bis heute keine guten Nachweise“ für ihre Wirksamkeit vorgelegt habe. Das ist falsch! Die Autoren unterschlagen die vielen Wirksamkeitsstudien, die eindrückliche therapeutische Ergebnisse für die Psychoanalyse belegen. Auch sonst wimmelt es im Text von Vereinfachungen, Unterstellungen und falschen Behauptungen, die sich leicht widerlegen ließen. Verhaltenstraining mag ein mögliches psychotherapeutisches Vorgehen unter anderen sein. Der im Text vertretene Alleinstellungsanspruch einiger Standespolitiker und die Ignoranz anderen Therapierichtungen gegenüber zeugt allerdings von einer berufspolitischen Interessenspolitik, die Journalisten nicht mittragen, sondern kritisch benennen sollten.
Dr. med. Ulrike Mauersberger,
Fachärztin für Allgemeinmedizin, Psychotherapie, Psychoanalyse,Psychoanalytikerin(DPV/IPA),Bonn.
Dr. med. Marie-Luise Waldhausen,
Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalytikerin(DPV/IPA),Berlin.
Dr. rer.soc. Christoph E. Walker,
Psychologischer Psychotherapeut, Psychoanalytiker (DPV/IPA/DGPT), ehem. Vors. d. ‚Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung’ (DPV), Tübingen.
In diesem Artikel werden in z.T. sehr einseitiger und entwertender Weise Behauptungen aufgestellt. Beispielhaft sei auf folgenden Satz hingewiesen:
"Kein Patient muss unbedingt 300 Stunden auf die Couch, wie es Lobbyisten alter Schule behaupten".
Dies ist schlicht falsch. Vielfältige Studien haben längst belegt, dass bei bestimmten seelischen Erkrankungen die Langzeittherapie die Therapie der Wahl ist, die, sachgerecht ausgeführt, am ehesten eine heilende und nachhaltige verändernde Wirkung verspricht.
Warum also erneut diese Polemik?
Es gilt bekanntermaßen für die gesamte Medizin, dass nicht alles, was dem einen Patienten helfen kann, bei dem anderen indiziert ist. Auch in der seriösen kassenfinanzierten Psychotherapie muss selbstverständlich eine sorgfältige Diagnose- und Indikationsstellung jeder Behandlung vorausgehen. Diese wird in einem Gutachterverfahren überprüft und validiert.Dass dies der Autorin bekannt ist, dürfte man bei einem sorgfältig recherchierten Beitrag erwarten. Die Frage bleibt deshalb, weshalb die ZEIT, wie schon in früheren Artikeln zum Thema Psychotherapie, hier wieder einmal einem oberflächlichen, einseitig diffamierenden Duktus folgt ("Lobbyisten alter Schule"). Dies stellt die Seriosität und Informiertheit der Autorin in Frage und berührt damit auch die Verantwortung der Redaktion für eine sachgerechte Information der Leser über dieses wichtige Thema.
Johannes Grapendorf
Leider ist der Artikel einseitig und lässt wichtige neuere Erkenntnisse außer Acht. Erschreckend ist, dass dies der Aufmacher der aktuellen Zeit ist. Zum einen wird komplett außer Acht gelassen, wie nachhaltig eine Therapie wirkt. So zeigen neuere Studien, dass psychodynamische Verfahren nach Jahren teilweise besser wirken (https://www.welt.de/print/wams/wissen/article152720090/Freud-lebt.html). Viele Dinge, die im Artikel als „Erkenntnisse“ verkauft werden stimmen so nicht. Auch werden aufgeworfene Fragen nicht behandelt. – was nachweislich wirkt: es gibt leider kaum gesicherte Nachweise, welche über eine 35 Stunden Behandlung hinaus gehen.
Entsprechend oberflächlich ist der „Nachweis“. Hier ist mehr Forschung notwendig. So ist es zB vorstellbar, dass als gesichert geltende Therapieverfahren nicht nachhaltig wirken, dh auf lange Sicht zu keiner Besserung führen. Zum anderen basiert die meiste Forschung auf klar abgegrenzte Störungen, die in der Praxis leider kaum auftauchen. In 20h behandelt kaum ein Kollege eine Angststörung, da meist noch andere Störungen eine Rolle spielen. Erschwerend kommt hinzu, dass sie zB. Forschung nicht mit suizidalen Patienten durchgeführt werden sollte. Entsprechend schlecht ist die Datenlage. – die Beschreibung psychodynamischer Verfahren ist fehlerhaft. Nicht alle Schulen konzentrieren sich auf die frühe Kindheit. So hat zB CG Jung den Begriff der Finalität geprägt, neuer Ansätze betrachten vor allem das intersubjektive Geschehen zwischen Klient und Therapeut oder in der Gruppe. Darüberhinaus ist die wissenschaftliche Überprüfung der psychodynamischen Verfahren hoch komplex.
Zum Vergleich: akademisch-psychologische Forschung beschränkt sich meist nur auf eine Mensch-Computer-Interaktion, da andere Forschung viel zu aufwendig ist, wie zB einen Prozess abzubilden. Bei der Psychotherapieforschung sollten zB Videos analysiert werden, um gesichert angeben zu können, was genau wirkt. Um auf gesicherte Erkenntnisse bei einer Psychotherapie zu kommen sollten dann mindestens 180 Personen miteinander verglichen werden. Dabei handelt es sich um einen Vergleich von zwei Gruppen: Kontroll- vs. Versuchsgruppe. Bei 80h Therapie macht das 90*80h=7200h Videomaterial. Dabei fallen dann jedoch noch immer mögliche nonverbale Cues unter den Tisch. Schwierig wäre es auch, welche Behandlung die Kontrollgruppe bekommt. Dies führt zum nächsten Punkt: – je schwerer und chronischer ein Leiden ist, desto effektiver ist eine speziell zugeschnittene Methode -> gerade bei vielen Komorbiditäten und Achse 2 Störungen (Persönlichkeitsstörungen) ist dies nicht der Fall. Die Aussage erklärt sich alleine durch die wohl durchgeführte „Überprüfung“.
Etwas was klar definiert ist, kann ich ich leichter messen, dh. leichter behandeln. Eine klar abgegrenzte Depression ist leichter durch einen Fragebogen zu messen und entsprechend leichter, auf den Fragebogen zugeschnitten, zu behandeln, um an gute Daten zu kommen. – aufdeckende Verfahren sollten nicht mit stabilisierenden Verfahren verglichen werden. Beide sind berechtigt, d.h. beide haben unterschiedliche Indikationsstellungen. Bei vielen Personen ist es angebracht, zuerst stabilisierend zu arbeiten und im Anschluss aufdeckend. – nicht alle Therapieverfahren behandeln „seelisches Leiden“ – zum einen schreibt die Autorin von einem Mythos, dass stets schlimme Erfahrungen aus der Kindheit zugrunde liegen zum anderen werden gerade biographische Erinnerungen bei der „narrativen Expositionstherapie“ angeführt. Darüberhinaus wird dieser Mythos nicht näher erläutert. – wissenschaftlich anerkannt in Deutschland als Therapieverfahren ist die Verhaltenstherapie, die psychoanalytisch begründeten Verfahren, die Gesprächspsychotherapie und die Systemische Therapie.