Ganz klar, Ann und Hannes lieben sich. Sie wollen sich sogar verloben, ganz traditionell. Aber Ann hat Probleme mit der Verschlossenheit, dem Rückzug, den depressiven Phasen ihres Freundes. Sie spürt, dass er etwas vor ihr verbirgt, was ihn sehr belastet. Intuitiv bringt sie Hannes düstere Stimmungen mit dessen Beziehung zu seinem Vater in Verbindung. Seit acht Jahren hat der mittlerweile erwachsene Sohn keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt.
Der Vater wird als ein narzißtischer Macho dargestellt; der nur an seine Karriere denkt und mit wechselnden Partnerinnen lebt. Aktuell ist er mit einer 19-jährigen Frau zusammen, die gerade Abitur gemacht hat. In der Eröffnungsszene spielt er selbstgewiß mit einer Armbrust herum, mit der er gerade einen Hasen geschossen hat. Aber die Karriere stagniert, die Gelenke müssen geschont werden, Selbstzweifel breiten sich aus und er erinnert sich, dass er noch einen Sohn hat, der noch dazu den gleichen Beruf ergriffen hat wie er.
Vater und Sohn treffen sich an einem Wochenende in der Berghütte der Familie in den Alpen, begleitet von ihren Partnerinnen. In der Berghütte entwickelt sich ein Psychodrama, in dem sich die Dynamik der Vater-Sohn-Beziehung und ihre Konflikte emotional dicht und psychodynamisch überzeugend entfalten. Auf engem Raum wechseln sich Annäherung und Zurückweisung, die Suche nach Verständnis und Nähe und das Mißtrauen, Rivalisieren und Entwertung, der Kampf um die Dominanz und um die Frauen ab. Die Szene ist geprägt von der zunächst noch sprachlosen Wut des Sohnes, der sich in der Kindheit mit den quälenden Demütigungen des Stiefvaters von seinem Vater allein gelassen fühlte. Die Wut entlädt sich in einem körperlich ausgetragenen Kampf zwischen Vater und Sohn, der es dem Sohn endlich möglich macht, den Vater, noch schwer atmend, mit der Frage zu konfrontieren, warum er ihn in der Kindheit alleine gelassen habe. Die Antwort des Vaters ist offen und zugleich enttäuschend. Sie hinterlässt alle Beteiligten in einer tiefen Verstörung, die kaum zu bewältigen ist. Am Ende des Films ist der Sohn wieder mit Ann alleine. Er sagt zu ihr, der Vater sei ein Albtraum, aber zum ersten Mal sei überhaupt etwas zwischen ihnen.
Der Film von Florian Eichinger schont sich und den Zuschauer nicht. Er beschönigt nichts, sondern er bleibt dicht an der Psychodynamik, die er nachvollziehbar und erlebbar macht. Er stellt eine aktuelle Aussage zur Vater-Sohn-Dynamik dar, die filmisch überzeugend entfaltet ist. Er zeigt die Verletzungen eines Sohnes angesichts des heute so verbreiteten Vatermangels und weist dadurch auf die Bedeutung der Vater-Sohn-Beziehung gleichermaßen für den Sohn wie auch für den Vater hin. Man kann ihm nur viele Söhne und Väter als Zuschauer wünschen.
Kinostart am 8. Juli 2010.
www.bergfest-film.de
Juni 2010
* Autor: Hans-Geert Metzger, Diplom-Psychologe, Dr.phil., niedergelassener Psychoanalytiker in Frankfurt